Galileo – Die Raumfahrt

Satellitennavigation

Wer bringt uns sicher ans Ziel?

  • NameThijs, Zofia, Doresa – alle Galileo-Satelliten sind nach Kindern benannt, die einen Galileo-Malwettbewerb der Europäischen Kommission gewonnen haben. Aus jedem EU-Land eins.
  • TrägerraketenSojus S-B it Fregat-MT Oberstufe, Ariane 5 und bald Ariane 6T
  • Startmasse715 kg
  • EigentümerGalileo gehört der Europäischen Union. Deutschland ist zu 20 Prozent finanziell beteiligt.
  • Größe2,5 x 14,67 x 1,1 Meter (mit Solarflügeln)
  • Beteiligte BDLI-UnternehmenAirbus, Jena-Optronik, OHB, SCISYS, Tesat-Spacecom, Thales Alenia Space Deutschland

 

Schnell und präzise die Position von Objekten auf der Erde bestimmen zu können, gehört inzwischen zur Grundausstattung für wirtschaftlichen Erfolg. Fast so wie Strom und Netzempfang. Unternehmen auf der ganzen Welt steuern und überwachen ihre Fahrzeugflotten und Produkte mit Satellitennavigationsdaten aus dem Orbit, Landwirte schicken damit ihre Traktoren eigenständig in die Spur und erste autonom fahrende Autos rollen auf der Straße. Auch Fußgänger lassen sich längst lieber von der Navi-App leiten, statt mit Straßenkarten zu hantieren.

 

ein Mann und eine Frau stehen unter einer S-Bahnbrücke und schauen auf ein Handy.
Satellitennavigation ist inzwischen ein selbstverständliches Hilfsmittel. Nur die wenigsten denken daran, dass die Daten aus dem Orbit kommen. ©gettyimages

 

Bisher kamen die Daten dafür hauptsächlich von den russischen und US-amerikanischen Satellitennavigationssystemen Glonass und GPS. Jetzt sind alle Services des Satellitennavigationssystems Galileo – des größten Raumfahrtprojekt Europas – voll einsatzfähig.

Nach langer Planungszeit umkreisen jetzt 26 Galileo-Satelliten – 24 davon aktiv – in 23.222 Kilometer Höhe mit 3,6 km pro Sekunde die Erde in drei verschiedenen Umlaufbahnen. Sie decken fast den ganzen Globus ab, so dass man jetzt weltweit ausschließlich mit Galileo-Daten navigieren kann. In der Endkonfiguration werden es 24 auf drei Ebenen angeordneten Satelliten plus Reserve-Satelliten sein. Jeder braucht für eine Erdumrundung rund 14 Stunden, weltweit gibt es 17 Bodenstationen, teilweise mit mehreren Antennen, an denen die Galileo-Signale empfangen und in die Kontrollzentren weitergeleitet werden können – von Svalbard auf Spitzbergen bis Troll in der Antarktis, von Tahiti bis La Réunion.

 

Grafische Darstellung von Galileosatelliten über der Erdkugel.
Mit 26 Satelliten im Orbit ist die Galileo Konstellation fast komplett. ©OHB

 

Das erste zivile Satellitennavigationssystem der Welt

Aber warum nicht einfach GPS weiternutzen? Das Akronym ist doch längst das umgangssprachliche Synonym für Navigation. Die Krux ist aber: obwohl sie auch zivil genutzt werden, gehören GPS und Glonass dem Militär. Und das chinesische System Beidou untersteht der kommunistischen Partei Chinas. Im Kriegsfall könnten die Systeme also unvermittelt abgeschaltet werden. So wie 1999 im Kosovokrieg, als Schiffe und Flugzeuge über dem Mittelmeer plötzlich ihre Positionen nicht mehr per GPS bestimmen konnten. Das US-Militär hatte es lokal gestört. „Die Interessen der Europäer sind dann erstmal zweitrangig“, fasst es Ulrich Walter, Professor für Raumfahrttechnik an der TU München und ehemaliger Astronaut, zusammen.

Doch um mit den Signalen arbeiten zu können, müssen sie verlässlich verfügbar sein. „Wir brauchen Sicherheit“, sagt Walter. In der Luftfahrt zum Beispiel, wenn sich Piloten bei schlechter Sicht auf ihre Instrumente verlassen sollen, die mit den Positionsdaten arbeiten. „Wenn ein Passagierflugzeug gerade landet und dann wird das System abgeschaltet – das kann’s ja nicht sein“, sagt Walter: „Das Leben von Menschen hängt davon ab.“

Niemand kann Galileo stören oder abschalten. Als ziviles System gehört Galileo allen EU-Staaten gemeinsam. Der Datenfluss aus dem Orbit ist also zuverlässig verfügbar. Zudem ist das System jetzt so exakt, dass es auch für Flugzeuglandungen eingesetzt werden kann.

 

Flugzeug landet bei Nacht.
Satellitennavigation bringt viele Vorteile für die Luftfahrt – vor allem als Unterstützung bei Landeanflügen. ©gettyimages

 

Frei verfügbare Daten – auf 20 Zentimeter genau

Europa baut zudem kein reines Konkurrenzsystem auf, sondern setzt auf Kooperation. Galileo ist mit allen anderen Satellitennavigationssystemen kompatibel. Jeder Empfänger kann die Signale kombinieren. „Für die Nutzer wird die Navigation robuster“, sagt Simon Plum, Chef des Galileo- Kontrollzentrums des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. So ist es möglich, sogar in Häuserschluchten zuverlässig präzise Daten zu empfangen. Eine wichtige Voraussetzung, wenn Autos autonom fahren sollen. „Punktuell schaffen wir schon heute 30 Zentimeter Genauigkeit“, sagt Plum. Das GPS-Signal allein ist dagegen höchstens auf fünf Meter genau. Und für zivile Nutzer wird Galileo künftig noch genauer: 2018 entschied die EU-Kommission den hochpräzisen Dienst, der allein mit Galileo-Daten eine Standortbestimmung auf 20 Zentimeter genau erlaubt für die Allgemeinheit freizuschalten.

 

Vielbefahrene Straße mit verschiedenen Fahrzeugen aus der Vogelperspektive.
Für Satellitennavigationssysteme stellen Bergregionen und tiefe Häuserschluchten eine große Herausforderung dar. ©gettyimages

 

Ein Transponder für Rettungsdienste

Jeder zusätzliche Satellit macht das europäische System schneller und stabiler. Fast unbemerkt navigieren private Nutzer schon seit Dezember 2016 mit Galileo. Nahezu alle modernen Smartphones und Autos können die Daten des kostenlosen offenen Dienstes der Konstellation empfangen. Jetzt gehen die weiteren Dienste des Systems in Betrieb: der jetzt öffentliche hochpräzise Dienst und der verschlüsselte, der für Polizei, Militär und Katastrophenschutz reserviert ist. Zudem ist jeder Satellit für weltweite Notrufe mit einem SAR-Transponder ausgerüstet.  SAR steht für Search and Rescue – Suchen und Retten. Ganz gleich wo ein Notruf abgesetzt wird, es dauert nur noch wenige Minuten bis der Hilfesuchende geortet und Hilfe unterwegs ist. „Da Galileo-Satelliten jederzeit von jedem Punkt der Erde aus sichtbar sind, kommt jeder Notruf nicht nur sofort an, sondern zeigt auch die Position des Hilfesuchenden an“, erklärt Manuel Czech, Galileo-Projektleiter bei OHB.  „So sind sofort Suchmannschaften unterwegs, die fast auf den Meter genau das richtige Ziel kennen.“ Die Kommunikation funktioniert in beide Richtungen: Der Absender erhält sogar eine Nachricht, dass er geortet wurde und dass Hilfe unterwegs ist.

 

Menschen in orangefarbenen Uniformen rennen von dem Fotografen weg auf einen gelben Rettungshubschrauber zu.
Ganz gleich, wo der Notruf abgesetzt wird, es dauert nur wenige Minuten, bis Hilfe unterwegs ist. ©gettyimages

 

Vier Satelliten sind jederzeit erreichbar

Jeder Galileo-Satellit sendet ständig mit Lichtgeschwindigkeit Signale zur Erde. Darin meldet er seine Position, die Uhrzeit und seinen eigenen Code. So kann das Empfangsgerät jedes Signal einem bestimmten Satelliten zuordnen. Der Empfänger braucht stets die Signale von vier Satelliten, um den eigenen Standort zu bestimmen. Aus diesen Signalen berechnet er seine genauen Koordinaten und sogar die exakte Uhrzeit. Gemessen wird – auf die Milliardstel-Sekunde genau – die Zeitspanne, in der die Signale beim Empfänger ankommen. Nur so ist es möglich, den Abstand zwischen Satelliten und Erdboden zu bestimmen und Positionsdaten bis auf einen halben Meter genau liefern zu können.

 

Exakte Weltraumuhr für die Finanzmärkte

Damit das alles funktioniert, müssen die Satelliten zeitlich exakt aufeinander abgestimmt sein. Schon eine Abweichung von einer Mikrosekunde würde die Ortung am Boden um 300 Meter verfälschen. Jeder Satellit ist daher mit vier Atomuhren ausgerüstet: zwei passiven Wasserstoff-Maser-Uhren und zwei Rubidium-Uhren. Für den laufenden Betrieb ist nur eine Uhr nötig. Die anderen fliegen als Reserve mit. Als vor zwei Jahren auf einigen Satelliten einzelne Uhren ausfielen, blieben die Galileo-Satelliten daher trotzdem funktionsfähig.

Die Wasserstoff-Maser Uhren messen die Zeit mit einer Genauigkeit von rund einer Nanosekunde je 24 Stunden. Das entspricht einer Abweichung von einer Sekunde in 2,7 Millionen Jahren. Die Rubidium-Uhren sind bis auf 10 Nanosekunden pro Tag genau. Diese genaue Zeitmessung wird inzwischen auch für internationale Finanzmärkte genutzt, um Transaktionen weltweit zeitlich genau zu markieren.

 

Hochpräzise Satellitendaten für neue Geschäftsideen

Die frei verfügbaren Galileo-Daten inspirieren auch eine ganze Reihe von neuen Geschäftsideen. Wie etwa den naviBelt des Startups FeelSpace, mit dem sich Blinde per Vibration orientieren können.  Und beim jährlichen Innovationswettbewerb Galileo Masters haben sich seit seiner Gründung 2004 rund 12.000 Erfinder beworben, um ihre Produkte und Dienstleistungen gemeinsam mit der Agentur für das Europäische GNSS (GSA), der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) weiterzuentwickeln.

 

Nach dem Start ist vor dem Start

Fast alle Galileo-Satelliten, die derzeit die Erde umkreisen, wurden in Deutschland gebaut. Vier von Airbus in Friedrichshafen und 22 bei OHB in Bremen. Dort wird gerade die Produktion wieder hochgefahren für die nächsten zwölf. In der Raumfahrtindustrie, wo zumeist Unikate gefertigt werden, gleicht das schon einer Serienproduktion.

Die Satelliten jeder Baureihe sind daher baugleich, das Design so einfach wie möglich. „Jeder ist etwa so groß wie die gelben Telefonzellen von früher und hat eine Masse von rund 750 Kilogramm“, erklärt Kristian Pauly, der bei OHB  die Projektleitung für die aktuelle Produktion übernimmt „Entfaltet im Orbit haben die Solarpanele eine Spannweite von 15 Metern und liefern knapp 2 kW Leistung.“ Die ersten beiden Satelliten sollen im Herbst 2020 startbereit sein, sagt Kristian Pauly. „Alle drei Monate werden zwei weitere Satelliten fertig sein.“

 

 

Jeder Galileo-Satellit ist auf eine Lebensdauer von rund zwölf Jahren ausgelegt. Da der erste schon seit 2011 im Orbit ist, muss 2023 damit begonnen werden, die Satelliten der ersten Generation auszutauschen. Auch um diesem Auftrag bewerben sich die deutschen Raumfahrtunternehmen. „Wir haben viele gute Ideen“, sagt Pauly. „Unser Ziel wäre, die Signale und den Service zu verbessern, die Kosten zu senken und die Sicherheit der Signale zu erhöhen.“

 

Beteiligte BDLI-Unternehmen

 

  • Jena-Optronik GmbH
  • OHB
  • SCISYS
  • Tesat-Spacecom GmbH & Co. KG
  • Thales Alenia Space
  • Airbus